Bay­ern wird „hin­ter­wäld­le­risch“ wahr­ge­nom­men

Osterhofen und Umgebung 24 – DONAU-ANZEIGER                      Samstag, 4. August 2018

MdL An­net­te Karl be­such­te die Haar­dor­fer Bio­gas­an­la­ge und stell­te sich der Dis­kuss­ion

Auf dem Gelände der Biogas-Anlage: (v.r.) Dr. Bernd Vilsmeier, Moritz Schneider, Hugo Steiner, Johann Weigl, MdL Annette Karl, Robert Kröll. Fotos: Rolf Schwinger

 

Haardorf. (rs) Auf ihrer Informationsreise durch Ostbayern kam Annette Karl (SPD), Landtagsabgeordnete aus Weiden in der Oberpfalz, zu Johann und Stefan Weigl. Zusammen betreiben sie seit 2005 eine BioGas-Anlage, die kontinuierlich auf 1 344 kW erweitert wurde. Seit 2012 wird ein Fernwärmenetz ausgebaut, an das inzwischen fast alle Häuser in Haardorf angeschlossen sind. Weigl erzählte, dass man sich im Zuge der BSE-Krise im Jahr 2000 ein neues Standbein für den landwirtschaftlichen Betrieb überlegte. Zusammen mit seinem Sohn Stefan wurde dies dann realisiert. Durch viele Vorgaben wurde im Laufe der Jahre eine Güllegrube errichtet, in der Gülle für neun Monate gelagert werden kann. Um überschüssige Wärme zu verbrauchen, wurde eine Trocknungsanlage für land- und forstwirtschaftliche Produkte gebaut. Biogasbetriebe sind grundlastfähig; es kann beständig Strom in die Leitungen eingespeist werden. Inzwischen wurden 3,5 Millionen Euro investiert. Um überleben zu können, stellt sich die Frage, wie geht es nach 20 Jahren weiter, wenn der garantierte Stromabnahmepreis ausläuft. Für die Zukunft ist ein Erdgasanschluss geplant, um die Versorgungssicherheit der angeschlossenen Häuser zu garantieren. Als landwirtschaftlicher Betrieb sieht Weigl große Probleme mit der Düngeordnung und mit der Dokumentation vieler Maßnahmen, sowohl in der Tierhaltung, auf den Äckern und in der Biogasanlage. Er gab Annette Karl die Bitte mit, viele bürokratische Maßnahmen zu überprüfen und auch zu reduzieren. Als bayerische Landtagsabgeordnete verwies sie darauf, dass dies Aufgabe des Bundes sei. Vieles werde auch von der EU vorgegeben, um Förderungen zu bekommen. Anschließend fand im Mühlhamer Keller eine Diskussionsrunde zur Wirtschaftspolitik mit dem Landtagsdirektkandidaten Dr. Bernd Vilsmeier, dem Listenkandidaten Robert Kröll und dem Kreisvorsitzenden Ewald Strasser statt. Gekommen waren auch Vertreter von Ortsverbänden aus dem Landkreis Deggendorf. In ihrem Kurzreferat stellte Annette Karl heraus, dass Niederbayern nicht mehr das Armenhaus von Bayern ist. Die SPD fordert gleiche Lebensbedingenen für alle, unabhängig von der sozialen Herkunft und vom Wohnort. „Die Wirtschaft boomt, Kommunen haben eine große Nachfrage nach Bauland und es herrscht nahezu Vollbeschäftigung“, trotzdem werde Bayern als „hinterwäldlerisch“ wahrgenommen. Sie stellte drei Punkte in den Mittelpunkt. Der Breitband- und Mobilfunkausbau hinke besonders im Grenzbereich zu Tschechien modernen Erfordernissen hinterher. Es sei bekannt, dass Firmen ihre Daten auf CD brennen, einige Kilometer weit fahren und in einer Ortschaft mit Glasfaseranschluss die Daten versenden. Dies ist ein Wettbewerbsnachteil für bestehende Gewerbegebiete. Bessere Infrastruktur Weiter müsse die Infrastruktur auf der Straße, auf der Schiene und die Wasserwege verbessert werden. „In Zeiten von guten Steuereinnahmen muss die Staatsregierung investieren.“ Der Finanzausgleich müsse kommunaler ausgerichtet werden, das heißt über den Einsatz von Geldern sollen die Gemeinden und Städte selbst entscheiden und ihre Prioritäten setzen können. In Bayern gibt es 800 Förderprogramme. Um bestmöglichst informiert zu sein und alles ausnützen zu können, müsste jede Gemeinde einen Fachangestellten einstellen. „Wenn man in München für die zweite Stammstrecke eine Milliarde Euro hat, dann muss auch Geld für den Ausbau des ÖPNV auf dem Land vorhanden sein“, ist eine von Karls Forderung. Wichtige Themen Ein wichtiges Thema in unserer Zeit sei der soziale Wohnungsbau, der fast zum Erliegen gekommen ist. „Dabei ist weniger der ländliche Raum ein Brennpunkt, sondern die Großstädte, wo die Mietpreise oft schon utopisch sind.“ Hamburg baue viermal so viele Sozialwohnungen als Bayern, bezogen auf die Einwohnerzahl. Karl: „Es sind nicht 1000 Wohnungen nötig, sondern 10 000!“ In manchen Bereichen müsse der Staat Verantwortung übernehmen und Entscheidungen nicht auf die Kommune übertragen. In der Politik fehle es oft an Ehrlichkeit, da diese von Wirtschaftsverbänden und Lobbyisten beeinflusst und gesteuert wird. In der Diskussion wurden die inflationären Notenschnitte angeprangert, die kein echtes Leistungsbild der Schüler darstellen. Georg Weiß forderte, dass ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer in der Region eingesetzt werden sollen und nicht in der Metropole München oder in Oberbayern. Kombinierte Klassen würden oft gebildet, um Lehrer einzusparen. Thomas Etschmann war für eine Regelung durch europaweite Besteuerung von Firmen wie Google, Apple, Amazon, um der Steuerflucht zu begegnen. Gefordert wurde auch, dass gesetzlich Krankenversicherte gleiche Behandlung erfahren wie Privatversicherte. Diese Ungleichheit spielt Populisten wie der AfD in die Hände. In einem Plädoyer waren sich alle Teilnehmer der Diskussionsrunde einig, dass Europa erhalten werden müsse. „Notwendig sind gleiche soziale Standards in einer Sozialunion, die wesentliche Grundlagen für den Frieden sind.“

Bei der Diskussionsrunde: (v.r.) Karl Heinz Stallinger (Deggendorf), Beate Straßer (Deggendorf), Georg Weiß (Plattling), Richard Anzenberger (Schaufling), Dr. Bernd Vilsmeier (Landtagsdirektkandidat für Deggendorf), Annette Karl (MdL), Thomas Etschmann (Osterhofen), Ewald Straßer (Kreisvorsitzender und Bezirkstagskandidat), Robert Kröll (Listenkandidat), Moritz Schneider (Juso-Kreisvorsitzender), Johann Weigl (BioGas).

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